Psychoonkologie


Der Begriff Psychoonkologie bezieht sich auf alle seelischen Faktoren, die mit einer Krebserkrankung zusammenhängen können. Ziel der Psychoonkologie ist es, den Betroffenen psychisch und seelisch Beistand zu leisten und ihnen beim Umgang mit der Angst zu helfen.

Was versteht man unter Psychoonkologie?

Die Psychoonkologie ist ein noch recht junges Fachgebiet. Ärzte und Psychologen beschäftigen sich seit etlichen Jahren mit Fragen nach Zusammenhängen zwischen seelischen Faktoren und der Entstehung, vor allem aber der Bewältigung von Tumorerkrankungen.

Inzwischen ist es für zertifizierte Tumorzentren zur Pflicht geworden, Psychologen zu beschäftigen. Leider reicht die personelle Kapazität bei weitem nicht aus, um allen Betroffenen im Rahmen der Psychoonkologie seelischen Beistand zu leisten.

Betreuung im Rahmen der Psychoonkologie
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Psychologische Hilfe schon bei der Diagnosemitteilung

Wer die Diagnose „Krebs“ gestellt bekommt, erfährt dadurch häufig massive seelische Belastungen. Viele beschreiben die Diagnosemitteilung als „niederschmetternd“, als „entsetzlich“ oder als „furchterregend“. Die Diagnose löst sofort Ängste aus, die bis hin zur Todesangst reichen.

Die Lebensqualität sowie die Krebsbehandlung selbst leiden schwer unter diesen psychischen Belastungen;

  • Schlafstörungen
  • depressive Phasen
  • Unruhe
  • Verzweiflung
  • Panik

Die Art und Weise der Diagnosemitteilung ist entscheidend für die spätere Krankheitsbewältigung. Die Gesprächsführung muss bestimmten Regeln folgen, um nicht traumatisierend zu sein. Noch immer gibt es die schockierende „Kurzmitteilung während der Visite“ mit der der Patient im Anschluss allein gelassen wird.

In der Psychoonkologie geschulte Mitarbeiter beherrschen eine Gesprächstechnik, die durch angemessene Zeit, Rahmenbedingungen und Achtsamkeit geprägt ist.

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Können seelische Belastungen oder Stress Tumorerkrankungen auslösen?

Nein! Es wurden keine Zusammenhänge zwischen Konflikt- oder Stresssituationen und der Entstehung von Krebs gefunden. Auch eine „Krebspersönlichkeit“ gibt es nicht. Dennoch sehen manche Betroffene für sich persönlich einen Zusammenhang zwischen erlittenem Kummer und der Entstehung ihres Tumors, z.B. nach Verlust eines Angehörigen, nach Scheidungskonflikten oder nach Depressionen.

Dann ist es auch unabhängig von einem tatsächlichen Zusammenhang wichtig, durchgemachte Kränkungen und Belastungen abzubauen, um die Lebensqualität auf der seelischen Ebene zu verbessern.

Wie kann man mithilfe der Psychoonkologie mit der Angst umgehen?

Angst ist unsere normale Reaktion auf die Diagnose „Krebs“. Angst kann aber zur unkontrollierten Panik werden, die dann klare Entscheidungen unmöglich macht und zu Kurzschlusshandlungen führen kann. Es ist also wichtig, Angstgefühle und ihre körperlichen Folgen zu erkennen, sie bis zu einem gewissen Grad zuzulassen und als normale Reaktion zu akzeptieren. Dann bleibt sie steuerbar. Panikreaktionen zu beherrschen, kann mit psychologischer Hilfe im Rahmen der Psychoonkologie eingeübt werden.

Welche Methoden gibt es in der Psychoonkologie?

Interessanterweise hat sich gezeigt, dass im Rahmen der Psychoonkologie Gruppentherapieformen für viele Ziele genauso effektiv oder sogar besser sind als Einzeltherapien, wenn sie folgende Prinzipien einhalten:

  • Soziale Kontakte knüpfen und festigen.
  • Neubewertung von Lebensprioritäten – Konzentriere dich auf das, was dir wirklich wichtig ist! Genieße das Hier und Jetzt!
  • Seelische Entlastung durch die Mitteilung eigener Gefühle, auch in der Gruppe.
  • Bewusste und versöhnliche Auseinandersetzung mit Sterben und Tod.
  • Unterstützung durch Freunde und Angehörige sichern, offen Ängste und Bedürfnisse äußern statt aus unnötiger Rücksichtnahme zu schweigen.
  • Verbesserung der Arzt-Patienten-Beziehung: Vom passiv erleidenden Patienten zum aktiven Mitgestalter.
  • Verbesserung der eigenen Fähigkeit, mit der Krankheit umzugehen durch Information, emotionale Stabilisierung und zunehmende Eigenkompetenz.

Für spezielle Situationen sind natürlich Einzelgespräche notwendig. Auch die vorrübergehende Einnahme von Psychopharmaka kann helfen, akute Verzweiflung oder Depressivität zu mindern. Von langwierigen Psychoanalysen im Rahmen der Psychoonkologie ist eher abzuraten.

Wo erhält man psychologische Hilfe durch Psychoonkologie?

In Akutkrankenhäusern werden zunehmend Angebote der Psychoonkologie aufgebaut. Sie sind ein Qualitätskriterium für Tumorzentren. Hier sind allerdings nur Kurzzeitinterventionen möglich. In onkologisch orientierten Reha-Kliniken sind psychologische Gesprächsangebote und Gruppenangebote seit langem etabliert.

Im Bereich der niedergelassenen Psychologen sollte man sich beim Erstgespräch absichern, dass eine spezielle psychoonkologische Erfahrung vorliegt. In manchen Städten gibt es psychologische Beratungsstellen, die über die Gesundheitsämter oder Soziale Träger (Diakonie, Caritas, Rotes Kreuz) organisiert sind. Beim Krebsinformationsdienst gibt es regional bezogene Adressangaben zu Psychoonkologen und Krebsberatungsstellen: www.krebsinformationsdienst.de

Welche Grundeinstellungen sind für die Krankheitsbewältigung hilfreich?

Krankheitsbewältigung fällt leichter, wenn man mehr zu zuversichtlichen als zu pessimistischen Annahmen neigt. Die Fähigkeit zur Selbstregulation, die Überzeugung, bei der Gesundung aktiv mithelfen zu können, ist günstiger als passives Erleiden.

Selbstbewusstes Akzeptieren der Krankheit und offenes Sprechen darüber sind besser als Rückzug in die Isolation und Verschweigen der Krankheit. Auch ein stabiles philosophisches oder religiöses Fundament ist günstig für eine rasche seelische Stabilisierung.

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Die Heilungserwartung aktiv stärken

Zwar gibt es keine klaren Beweise, dass ein besonders ausgeprägter Kampfgeist die Heilungsaussichten verbessert. Umgekehrt gibt es aber Studien, die zeigen, dass Menschen mit einer pessimistischen, resignativen Grundeinstellung („das wird sowieso nichts mehr mit mir …“) tatsächlich auch eine schlechtere Prognose haben.

Aufgabe der onkologischen Nachsorge ist es, eine zuversichtlichere, zukunftsorientierte Haltung aufzubauen. Menschen, die sich z.B. mittel- und langfristige Ziele setzen, scheinen nicht nur besser, sondern auch länger zu leben als Menschen, die nicht mehr viel vom Leben erwarten. Ziele könnten sein: Reisen, Feste, kreative, soziale oder kulturelle Projekte usw.

Krisenintervention im Rahmen der Psychoonkologie

Angst, Niedergeschlagenheit und Verzweiflung können durch die Krebsdiagnose, aber auch im Verlauf der manchmal belastenden Behandlungen auftreten. Ein gutes psychologisches Gespräch kann die Resignation verhindern, den Kampfgeist und die Hoffnung wieder neu beleben.

Autor:
Dr. med. Peter Trunzer