- Hintergrundinformationen zur Schilddrüsenkrebs-Operation
- Operative Vorgehensweise bei der Schilddrüsenkrebs-Operation
- Vollständige Entfernung der Schilddrüse
- Risiken der Schilddrüsenkrebs-Operation
- Nach der Schilddrüsenkrebs-Operation
- Prognose nach der Behandlung
- Wo sollte man die Schilddrüsenkrebs-Operation durchführen lassen?
Die Vorgehensweise bei Schilddrüsenkrebs besteht in der Regel in einer vollständigen Entfernung der Schilddrüse. Diese Schilddrüsenkrebs-Operation wird auch als Thyreoidektomie bezeichnet.
Die Chirurgen entfernen ab einer gewissen Tumorgröße nicht nur beide Schilddrüsenlappen, sondern auch die unmittelbar an der Schilddrüse gelegenen Lymphknoten. Je nach Größe der Schilddrüse und Ausmaß der Lymphknotenentfernung dauert eine Schilddrüsenkrebs-Operation 1 bis 3 Stunden.
Deutlich sichtbare Schilddrüsenvergrößerung bei zurückgebeugtem Hals
Hintergrundinformationen zur Schilddrüsenkrebs-Operation
Schilddrüsenkrebs ist eine seltene Erkrankung, die nach einer Erhebung aus dem Jahre 2006 bei Frauen mit der Häufigkeit von 8,7 / 100.000 und bei Männern mit der Häufigkeit von 4,0 / 100.000 vorkommt.
Die Diagnose erfolgt in den meisten Fällen erst nach Entfernung des Schilddrüsengewebes wegen „gutartiger“ Knotenbildung in diesem Organ. Nur in wenigen Fällen ist es möglich, die richtige Diagnose schon vor der Operation, zum Beispiel durch eine Punktion mit der Entnahme von Zellen, zu stellen.
Zur Routinediagnostik der Schilddrüse zählen neben der klinischen (Tast-)Untersuchung die Ultraschalluntersuchung des Halses und die Szintigraphie. Bei dieser nuklearmedizinischen Untersuchung imponieren Schilddrüsenkarzinome häufig als „kalte Knoten“, hinter denen sich mit einer Häufigkeit von ca. 0,5 % eine bösartige Erkrankung verbirgt.
Tumorarten des Schilddrüsenkarzinoms
Es gibt verschiedene Arten des Schilddrüsenkarzinoms, die auch unterschiedlich behandelt werden. Diese unterteilt man nach der Gewebeart (Histologie) wie folgt:
- Differenzierte Karzinome (papilläre und follikuläre Karzinome)
- Medulläre Karzinome, die von den C-Zellen der Schilddrüse ausgehen
- undifferenzierte und anaplastische Karzinome
Papilläre Karzinome sind die häufigsten Karzinome der Schilddrüse (75 bis 80 %) und haben eine ausgezeichnete Prognose. Sie können multifokal, d.h. an mehreren Stellen der Schilddrüse und auch in beiden Schilddrüsenlappen gleichzeitig auftreten. Als Variante existiert das papilläre Mikrokarzinom mit einer Größe von unter 1 cm. Papilläre Tumoren bilden gelegentlich Absiedelungen in den der Schilddrüse unmittelbar benachbarten Lymphknoten.
Follikuläre Karzinome haben einen Anteil von 10 bis 15 % aller Schilddrüsenkarzinome und bilden häufiger Fernmetastasen (Absiedelungen) als die papillären Karzinome. Die Prognose ist je nach Tumortyp etwas schlechter als die der papillären Tumoren, insgesamt aber dennoch gut.
Medulläre Karzinome (Synonym C-Zellkarzinom) machen ca. 5 % aller Schilddrüsenkrebse aus und führen häufig schon früh zu Absiedelungen in den Halslymphknoten. Etwa ein Viertel der medullären Karzinome werden vererbt, die übrigen entstehen spontan.
Anaplastische Karzinome wachsen sehr rasch und aggressiv und können in andere Organe wie die Luftröhre oder die Speiseröhre einwachsen. Entsprechend schlecht ist die Prognose.
Lupenbrille und feinste Instrumente in der Schilddrüsenchirurgie
Operative Vorgehensweise bei der Schilddrüsenkrebs-Operation
In der Regel erfolgt die Operation bei Schilddrüsenkrebs zunächst wegen
- präoperativ bekannter Schilddrüsenknoten
- Wachstums der Schilddrüse mit Schluckbeschwerden
Die Schilddrüsenfunktion kann hyperthyreot oder hypothyreot sein (Über-/Unterfunktion), in der Regel besteht eine normale Funktion (Euthyreose). Bei der feingeweblichen Untersuchung des entnommenen Präparates (Histologie) wird dann die endgültige Diagnose gestellt. Dabei erfolgt auch die Zuordnung zu den oben genannten Karzinomtypen.
Gelegentlich finden sich als Zufallsbefund in der Schilddrüse neben den großen Knoten s. g. papilläre Mikrokarzinome (unter 1 cm, s. o.), die als so gutartig eingestuft werden, dass eine weitere Therapie wie bei anderen Schilddrüsenkrebsen nicht erforderlich ist. Findet man allerdings mehrere dieser Mikrokarzinome, so ist in der Regel die vollständige Entfernung der Schilddrüse sinnvoll.
Vollständige Entfernung der Schilddrüse
Bei Schilddrüsentumoren ab 1 cm Größe ist die vollständige Entfernung der Schilddrüse angezeigt. Möglicherweise war das Karzinom bei der Erstoperation noch nicht bekannt. In diesem Fall ist eine Vervollständigungsoperation im Sinne einer vollständigen Schilddrüsenentfernung (Thyreoidektomie) erforderlich.
Diese sollte möglichst binnen 3 bis 5 Tagen nach der Erstoperation erfolgen, da ansonsten die entstehenden Verwachsungen den erneuten Eingriff erschweren. Auch die Komplikationsrate in Bezug auf Verletzungen an den Stimmbandnerven oder den Nebenschilddrüsenkörperchen wäre dann erhöht.
Vorsichtig wird die vergrößerte Schilddrüse herauspräpariert
Bei der Operation werden über einen kleinen, zuvor in der Halsregion angezeichneten Schnitt etwa 1 bis 2 cm über dem oberen Brustbeinrand beide Schilddrüsenlappen entfernt. Ab einer gewissen Tumorgröße sollte auch die Entfernung der Halslymphknoten erfolgen.
Die Schilddrüsenkrebs-Operation dauert je nach Größe der Schilddrüse und auch je nach Ausmaß der Lymphknotenentfernung 1 bis 3 Stunden.
Risiken der Schilddrüsenkrebs-Operation
Zu den seltenen, aber typischen Komplikationen nach einer Schilddrüsenkrebs-Operation zählt eine Schädigung des Stimmbandnerven. Diese führt zu
- Stimmbandlähmung
- Heiserkeit
- Stimmlagenvertiefung
- ggf. zu Beeinträchtigung der Atmung, insbesondere bei beidseitiger Nervenschädigung
Das Stimmband selbst ist durch den Kehlkopf geschützt und kann bei der Operation bei Schilddrüsenkrebs nicht verletzt werden. Hingegen läuft der stimmbandversorgende Nerv (Nervus laryngeus recurrens) unmittelbar hinter der Schilddrüse und ist durch die Operation gefährdet.
Schemazeichnung Neuromonitoring
Um ihn zu schonen, ist ein systematisches Aufsuchen und eine langstreckige Darstellung dieses winzigen Nerven erforderlich. In der Schilddrüsenchirurgie erfahrene Kliniken benutzen heute das s. g. Neuromonitoring. Dieses Verfahren bezeichnet die Funktionskontrolle des Stimmbandnerven mittels elektrischer Stimulation über eine in der OP verwendete Stimulationssonde. Deren Signal wird über eine in den Kehlkopf gelegte Elektrode abgeleitet. Daneben ist heute die kontinuierliche Stimulation des Nervus vagus möglich, also des Nerven, aus dem der Stimmbandnerv entspringt. Durch diese während der gesamten Operation ununterbrochene Stimulation können Verletzungen des Stimmbandnerven auf ein Minimum reduziert werden.
Erfreulicherweise sind die meisten Beeinträchtigungen des Stimmbandnerven nur vorübergehender Natur und können sich über einen Zeitraum von bis zu 6 Monaten vollständig zurückbilden. Für diesen Zeitraum ist eine logopädische Therapie mit Sprachübungen erforderlich und sinnvoll. Die Rate der permanenten Stimmbandlähmung beträgt in erfahrenen Zentren deutlich unter 1 Prozent. Bei einseitiger dauerhafter Stimmbandlähmung ist durch logopädisches Training die Beeinträchtigung auf ein Minimum reduzierbar, lediglich die extrem seltene beidseitige Stimmbandlähmung ist für den Patienten mit erheblichen Einschränkungen verbunden.
Gelegentlich können nach Schilddrüsenoperationen Funktionsstörungen der Nebenschilddrüsen auftreten. Dies kann zu einer Reduzierung der Kalziumwerte führen, ggf. verbunden mit Kribbelgefühlen und erhöhter Krampfbereitschaft der Muskulatur. Dagegen hilft die langfristige Einnahme von Kalzium und Vitamin D.
Kaum noch sichtbare Halsnarbe am 6. Tag nach der Operation
Nach der Schilddrüsenkrebs-Operation
In der Regel erfolgt am 2. oder 3. Tag nach der Schilddrüsenkrebs-Operation die Entlassung. Die Halswunde heilt unproblematisch ab und Belastungen sind schon wenige Tage später möglich. Eine spezielle Behandlung der Wunde ist nicht erforderlich. Evtl. bei der Operation gelegte kleine Drainageschläuche sind zu diesem Zeitpunkt längst entfernt.
Bei differenzierten Schilddrüsenkarzinomen schließt sich in eine Radio-Jodtherapie an, die in nuklearmedizinischen Krankenhausabteilungen erfolgt. Dabei werden dem Patienten Jodpartikel über die Vene verabreicht, welche mit radioaktiven Substanzen versehen sind. Evtl. verbliebene einzelne Schilddrüsentumorzellen nehmen dieses Jod auf und zerstören sich dadurch selbst.
Bei anaplastischen Karzinomen kann eine Bestrahlung von außen erfolgen. Des Weiteren besteht in Einzelfällen die Indikation für eine Chemo– oder Antikörpertherapie. In jedem Fall muss nach vollständiger Entfernung der Schilddrüse eine lebenslange Einnahme von Schilddrüsenhormonpräparaten erfolgen.
Prognose nach der Behandlung
Die komplette Tumorentfernung während der Schilddrüsenkrebs-Operation sichert den langfristigen Therapieerfolg. Die postoperative Radio-Jodtherapie verringert das Risiko auf eine erneute Krebsentwicklung. Auch in den seltenen Fällen, in denen bei der Operation entweder an der Schilddrüse selbst oder am umgebenden Gewebe der Tumor nicht vollständig entfernt werden konnte, kann dies eine zielführende Behandlung ermöglichen.
Insgesamt ist die Prognose bei differenzierten Schilddrüsenkarzinomen ausgezeichnet. Man bestimmt in der Regel die s. g. 10-Jahres-Überlebensrate (bei anderen Tumoren 5-Jahres-Überlebensrate). Bei Patienten mit Schilddrüsenkarzinom, die sich einer Schilddrüsen-OP und einer Radio-Jodtherapie unterzogen haben, liebt diese Rate bei weit über 90 Prozent.
In den wenigen Fällen von Tumorrezidiven (Rückkehr des Tumors) ist insbesondere beim papillären Schilddrüsenkarzinom eine Zweitoperation sinnvoll. Die durch Radiojod-Szintigraphie oder entsprechende andere bildgebende Verfahren diagnostizierten Tumorstellen können in der Regel problemlos operativ entfernt werden, verbunden wiederum mit einer guten Prognose.
Wo sollte man die Schilddrüsenkrebs-Operation durchführen lassen?
Die Schilddrüsenkrebs-Operation wird heute an vielen Krankenhäusern und mitunter von Belegärzten durchgeführt. Jüngere Untersuchungen haben gezeigt, dass insbesondere die komplizierte Schilddrüsenchirurgie (bei bösartigen Erkrankungen, bei an der Schilddrüse voroperierten Patienten) bessere Ergebnisse hat, wenn sie an spezialisierten Zentren durchgeführt wird. Dort ist heute die Vorgehensweise standardisiert, im internationalen Kontext abgesprochen und mit niedrigen Komplikationsraten verbunden.
Die regelhafte Darstellung des Stimmbandnerven, die sorgfältige Präparation der Nebenschilddrüse und der routinemäßige Einsatz des Neuromonitorings (Nervenstimulation des Nervus laryngeus recurrens und des Nervus vagus, s. o.) sind die Qualitätsmerkmale. Wenn dann noch jährliche Schilddrüsenoperationszahlen von mind. 150 Eingriffen pro Jahr belegt werden können, ist der Patient an der richten Adresse. Diese Qualitätszahlen von Krankenhäusern sind in der Regel im Internet abzurufen („Qualitätsbericht“) oder auch bei den operativ tätigen Ärzten direkt zu erfragen. Man sollte sich zum Wohle der eigenen Gesundheit nicht scheuen, diese Fragen vorab zu klären.
Autoren:
Prof. Dr. med. Guido Schürmann
Dr. med. Kirsten Oberwelland