Hodenkrebs (Hodenkarzinom)


Hodenkrebs entsteht vor allem bei jungen Männern zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr. Für diese Gruppe stellt Hodenkrebs auch den häufigsten bösartigen Tumor dar. Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts erkranken in Deutschland jedes Jahr etwa 4200 Männer an einem bösartigen Hodentumor. Damit ist Hodenkrebs insgesamt eher selten. Die genauen Ursachen der bösartigen Hodentumoren sind noch unklar. Es lassen sich aber verschiedenartige Risikofaktoren festmachen, bei deren Vorliegen die Wahrscheinlichkeit für Hodenkrebs erhöht ist. Bei frühzeitig erkannten und behandelten Hodenkarzinomen ist nahezu immer eine Heilung möglich.

Verschiedene Arten von Hodenkrebs

Es lassen sich verschiedene Hodenkrebsarten nach den Zellen, von denen die Tumoren ausgehen, unterscheiden. Der folgende Text betrachtet nur die Keimzelltumoren (aus der Keimzelle entstanden), da sie über 90 Prozent aller bösartigen Hodentumoren ausmachen. Diese Keimzelltumoren oder geminalen Tumoren werden weiter unterteilt in Seminome (ca. 65 Prozent) und Nicht-Seminome (ca. 35 Prozent), die während unterschiedlicher Stadien der Keimzellreifung entstehen.

Selten sind extragonadale Keimzelltumoren, die sich nicht im Hoden selbst befinden, sondern in versprengtem Hodengewebe in der Brust- oder Bauchhöhle. Ebenfalls nur sehr selten kommen Tumoren, die von anderen Zellen des Hodens ausgehen, (Sertoli-Zell-Tumore, Leydig-Zell-Tumore) und Lymphome des Hodens vor.

Hodenkrebs
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Ursachen und Risikofaktoren für das Hodenkarzinom

Die genauen Ursachen von Hodenkrebs sind noch nicht endgültig erforscht, aber man geht von verschiedenartigen Risikofaktoren aus, bei deren Vorliegen die Wahrscheinlichkeit für Hodenkrebs erhöht ist. Einer der bedeutendsten Risikofaktoren ist ein angeborener Hodenhochstand (Maldescensus testis). In diesem Fall sind die Hoden während der vorgeburtlichen Entwicklung oder den ersten Monaten nach der Geburt nicht in den Hodensack gewandert. Auch nach operativer Korrektur dieses Fehlstandes bleibt ein erhöhtes Risiko für ein Hodenkarzinom bestehen.

Eine familiäre Vorbelastung (Bruder und/oder Vater mit Hodenkrebs) gilt ebenfalls als klarer Risikofaktor. Es wird angenommen, dass eine erbliche Veranlagung und ein Östrogenüberschuss der schwangeren Frau dafür verantwortlich sind, wenn in der embryonalen Entwicklungsphase des Kindes „falsch programmierte“ Keimzellen entstehen. Diese verbleiben nach der Geburt zunächst in einem Ruhestand, bevor sie sich später zu Krebszellen entwickeln. Man kann die Vorläuferzellen von Hodenkrebs (testikuläre intraepitheliale Neoplasie, kurz: TIN-Zellen) schon Jahre vor Feststellen des Hodentumors durch die Entnahme einer Gewebeprobe aus dem Hoden nachweisen.

Weitere Risikofaktoren für Hodenkrebs sind eine Fehlverteilung der Geschlechtschromosomen (z.B. Klinefelter-Syndrom) und eine Unterentwicklung eines Hodens (Hodenathrophie). In der Diskussion ist auch der Einfluss der Exposition gegenüber Chemikalien wie Farben, Lösungsmitteln, Pflanzenschutz- und Insektenvernichtungsmitteln usw. Da die Häufigkeit der Hodentumoren in den letzten 20 Jahren deutlich zugenommen hat, vermuten Mediziner, dass auch äußere Einflüsse eine Rolle spielen.

Bei etwa fünf Prozent aller Männer mit Hodenkrebs entwickelt sich mit der Zeit auch im anderen Hoden (Gegenhoden) ein Tumor. Dazu kommt es dann in den allermeisten Fällen in den ersten fünf Jahren nach der Erstdiagnose, maximal in den ersten zehn.

Schließlich gibt es auch ethnische Unterschiede in der Erkrankungshäufigkeit: Europäische Männer erkranken häufiger an Hodenkrebs als Afroamerikaner und Asiaten.

Arztsuche

Symptome von Hodenkrebs

Meistens bemerken die betroffenen Männer die ersten Anzeichen von Hodenkrebs selbst. Bei den Symptomen handelt es sich vor allem um eine Schwellung, Verhärtung oder Knotenbildung des Hodens (nur selten beider Hoden). Zu der Schwellung kommt es oftmals sehr plötzlich, innerhalb eines Zeitraums von Wochen oder sogar nur wenigen Tagen.

Diese Veränderungen können mit (ziehenden) Schmerzen einhergehen, müssen es aber nicht. Auch bei Schmerzfreiheit sollten betroffene Männer also einen Arzt konsultieren. Ebenso sind ein Schweregefühl im Hoden oder der Leiste sowie eine Ansammlung von wässriger Flüssigkeit um den Hoden (Hydrozele) als Symptome des Hodenkrebses möglich, aber nicht immer vorhanden.

Da Hodentumoren weibliche Geschlechtshormone produzieren, können in einigen Fällen auch Schmerzen oder Schwellungen im Bereich der Brüste auftreten (Gynäkomastie).

Diagnose eines bösartigen Hodentumors

Im Rahmen der Diagnosestellung findet zunächst eine Anamnese statt (z.B. Abfragen der Risikofaktoren). Darauf folgt die Tastuntersuchung. Der Arzt tastet den Hodensack und beide Hoden ab und vergleicht sie in Größe, Form und Konsistenz miteinander. Auch die Brust und andere Körperregionen werden untersucht. Häufig kann der Arzt schon bei der Tastuntersuchung feststellen, ob es sich um einen Hodentumor handelt. Weitere Schritte wären eine Ultraschalluntersuchung der Hoden und Laboruntersuchungen. Zwei Drittel aller Hodentumoren bilden Tumormarker, die über Blutuntersuchungen festgestellt werden können.

Besteht nach diesen Untersuchungen weiterhin ein Verdacht auf einen bösartigen Hodentumor, muss eine operative Freilegung des Hodens über einen Schnitt in der Leiste vorgenommen werden. Ob tatsächlich ein bösartiger Tumor vorliegt, können erfahrene Operateure oftmals schon alleine durch das Betrachten des Gewebes feststellen. Ist der Fall unklar, wird eine Gewebeprobe entnommen (Biopsie) und feingeweblich untersucht.

Mikroskop
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Wird ein bösartiger Hodentumor diagnostiziert, muss geklärt werden, ob und in welchem Ausmaß er bereits Metastasen in Lymphknoten und/oder anderen Organen abgesiedelt hat (Staging).

Behandlung des Hodenkarzinoms

Handelt es sich um einen gutartigen Tumor, reicht es meistens aus, ihn aus dem Hodengewebe zu entfernen.

Hat sich der Verdacht auf einen bösartigen Tumor bestätigt, erfolgt eine operative Entfernung des erkrankten Hodens zusammen mit dem Nebenhoden und dem Samenstrang. Eine hodenerhaltende Operation kann nur bei sehr kleinen Tumoren und an speziellen Tumorzentren durchgeführt werden. Der entfernte Hoden wird in der Folge feingeweblich unter dem Mikroskop untersucht, um zu erfahren, ob es sich um ein Seminom oder Nicht-Seminom handelt. Bei Interesse kann an die Stelle des entfernten Hodens eine Silikon-Prothese eingesetzt werden.

Durch Einbeziehen einer Vielzahl von Untersuchungsergebnissen lässt sich abschätzen, ob bereits Tochtergeschwülste bestehen. Wenn das Risiko dafür als sehr gering eingeschätzt wird, werden sich Arzt und Patient möglicherweise dafür entscheiden, dass eine Überwachungsstrategie (Abwarten) ausreicht. Die Kontrolluntersuchungen sollten in diesem Fall noch häufiger als bei den Betroffenen mit anderer Strategie (Strahlentherapie und/oder Chemotherapie) durchgeführt werden – in den ersten zwei Jahren in dreimonatlichem Abstand.

Entscheiden sichArzt und Patient gegen ein „abwartendes Verhalten“ (weil bereits Tochtergeschwülste vorhanden sind oder man vorbeugend handeln möchte), hängt die dann durchzuführende Therapie vom Typ des Tumors (Seminom versus Nicht-Seminom) und von seiner Ausbreitung (Stadium) ab. Da ein Seminom gut auf eine Strahlentherapie anspricht, ist sie in diesem Fall die Therapieform erster Wahl. In späteren Stadien wird Chemotherapie eingesetzt. Ein Nicht-Seminom spricht nicht so gut auf eine Strahlentherapie an, daher wird in diesem Fall auch schon in Stadium I Chemotherapie durchgeführt – meistens auf Basis eines platinhaltigen Medikaments (Cisplatin, Carboplatin).

Wurden vergrößerte Lymphknoten im hinteren Bauchraum festgestellt und liegt ein Nicht-Seminom vor, wird möglicherweise eine weitere Operation zur Entfernung der Lymphknoten vorgenommen.

Nebenwirkungen und Folgen der Hodenkrebs-Therapie

Eine Chemotherapie wird unerwünschte Nebenwirkungen mit sich bringen. Diese fallen aber bei jedem anders aus. In den meisten Fällen bilden sich die Nebenwirkungen (z.B. Infektionsanfälligkeit, Müdigkeit, Konzentrationsstörungen, Übelkeit, Erbrechen, Haarausfall) spätestens nach Abschluss der Behandlung zurück. Während der Strahlentherapie kommt es in sehr wenigen Fällen zu leichten darmgrippeähnlichen Beschwerden.

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Hodenkrebs und Kinderwunsch

Ein möglicherweise bestehender Kinderwunsch muss durch eine Hodenentfernung nicht gefährdet sein, da der zweite, meistens noch erhaltene Hoden weiterhin Spermien produzieren kann. Allerdings liegt bei etwa der Hälfte aller Hodenkrebspatienten allgemein eine eingeschränkte Spermienproduktion vor. Und Chemotherapie, Bestrahlung im Beckenbereich sowie eine umfangreiche Operation, bei der Lymphknoten im Bauchraum entfernt werden, können die Zeugungsfähigkeit negativ beeinflussen. Es wird also empfohlen, vor einer Hodenkrebsbehandlung Sperma in einer Samenbank einzulagern (Kryokonservierung). Ein Jahr lang nach der Behandlung kann es zu einer erhöhten Rate an Fehlgeburten kommen.

Hodenkrebs und Sexualität

Die Sexualität ist in den Fällen, in denen noch ein zweiter Hoden erhalten bleibt, normalerweise nicht gefährdet. Der zweite Hoden produziert dann in der Regel noch genug Testosteron. Sind beide Hoden entfernt worden, besteht die Möglichkeit, dass der betroffene Mann regelmäßig Testosteron zuführt (Gelpräparate, Pflaster, Tabletten, Depot-Spritzen).

Nachbehandlung beim Hodenkarzinom

Nach der Primärbehandlung (Operation, evtl. Chemo- und/oder Strahlentherapie) beginnt die Phase der Nachsorge, die sich über einen Zeitraum von mindestens 5 Jahren erstreckt. Regelmäßige Nachsorgeuntersuchungen sind obligatorisch. Zum einen haben sie den Zweck, einen Wiederausbruch der Krankheit (Tumorrezidiv) festzustellen. Gegebenenfalls würde dann eine Kombinationschemotherapie folgen, welche bei frühzeitiger Anwendung in den meisten Fällen Erfolg zeigt. Zum anderen werden bei den Nachsorgeuntersuchungen Folgen der Strahlen- und/oder Chemotherapie überwacht. Zu Beginn sind die Abstände zwischen den einzelnen Untersuchungen noch relativ kurz.

Bei den Nachsorgeuntersuchungen finden körperliche Untersuchungen (v.a. Abtasten von Lymphknotenstationen) und labormedizinische (v.a. zum Bestimmen von Tumormarkern) statt. Möglicherweise werden auch Ultraschalluntersuchungen der Leber, Röntgenaufnahmen der Lunge und Computertomographien zur Kontrolle der Lymphknoten im Bauchraum sowie der Leber auf Metastasen durchgeführt.

Kurz nach dem Krankenhausaufenthalt kann auch eine Anschlussrehabilitation in einer speziellen Rehabilitationsklinik stattfinden. Sie muss bereits im Krankenhaus beantragt werden.

Heilungschancen bei Hodenkrebs

Die Heilungsaussichten bei Hodentumoren sind sehr gut. Es gibt in jedem Stadium eine ausgeprägte Chance auf Heilung. In Stadium I ist sogar eine fast 100-prozentige Heilungschance vorhanden. Aber auch wenn sich in Stadium II bereits Metastasen in den Lymphknoten des Bauchraums ausgebreitet haben, liegt die Überlebensrate noch bei über 90 Prozent. In Stadium III (Metastasen in Lymphknoten auch oberhalb des Zwerchfells und/oder in anderen Organen) liegen Heilungschancen von mindestens 48 Prozent vor, bei bestimmten Gegebenheiten aber auch von bis zu 92 Prozent.

Zu einem Wiederausbruch des Krebses kann es vor allem innerhalb der ersten zwei Jahre nach der Erstdiagnose kommen.

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Vorsorge und Früherkennung des Hodenkarzinoms

Spezielle Vorbeugediäten im Hinblick auf Hodenkrebs gibt es nicht. Arbeiter in bestimmten Bereichen (wie der Petrochemie, der Metallverarbeitung, Bereichen, in denen sie chromhaltiger Farbe ausgesetzt sind) sollten unbedingt den arbeitsmedizinischen Schutzmaßnahmen nachkommen.

Damit Hodenkrebs frühzeitig erkannt (und dann auch mit sehr großer Wahrscheinlichkeit geheilt) werden kann, sollten Männer ihre Hoden regelmäßig (etwa alle 4 Wochen) selbst untersuchen. Dabei sind die Hoden auf Veränderungen in Form, Größe, Gewicht und Konsistenz abzutasten. Dies ist am besten bei einem entspannten, schlaffen und weichen Hodensack möglich, also bei warmen Temperaturen (z.B. unter der Dusche). Werden Verhärtungen und Schwellungen festgestellt, sollte umgehend ein Arztbesuch stattfinden.

Eltern eines Sohnes mit Hodenhochstand wird nahegelegt, ihn in einem adäquaten Alter über die Fehllage zu informieren – selbst wenn diese zwischenzeitlich operativ behoben wurde. Weiß er über sein erhöhtes Risiko für Hodenkrebs Bescheid, kann er verstärkt auf Symptome achten.