Multiples Myelom (Plasmozytom)


Ein Multiples Myelom, in der deutschen Sprache auch unrichtig Plasmozytom genannt, ist eine Krebserkrankung des Knochenmarks, die von den Plasmazellen ausgeht. In der Bundesrepublik Deutschland wird pro Jahr ca. 3500 Mal die Diagnose Plasmozytom gestellt. Ein Multiples Myelom tritt überwiegend nach dem 60. Lebensjahr auf. Als wesentlicher Risikofaktor für das Multiple Myelom sind starke ionisierende Strahlen wie intensive Röntgenstrahlung bekannt. Andere Ursachen sind nicht sicher belegt.

Wie entsteht ein Multiples Myelom?

Normale Plasmazellen werden im Knochenmark gebildet. Sie produzieren Antikörper. Antikörper sind Eiweißstoffe, die in das Blut abgegeben werden und auf den Schleimhäuten des Darms und des Atemtraktes sitzen und eine wichtige Rolle in der Immunabwehr spielen.

Die Tumorzellen sind Nachkommen einer entarteten Plasmazelle. Myelomzellen bilden ebenfalls antikörperähnliche Eiweiße, die aber funktionslos sind, also keine Abwehrfunktion haben. Weil die Erkrankung von einer einzigen entarteten Zelle ausgeht, bilden alle Tumorzellen dasselbe Eiweiß, das Paraprotein genannt wird. Subklone entwickeln sich insbesondere bei Rezidiven des Multiplen Myeloms.

Neben dem Knochenmark kann auch der Knochen selbst befallen sein. Dort verursacht die Erkrankung diffuse und herdartige Auflösungen der Knochensubstanz (sekundäre Osteoporose).

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Symptome beim Multiplen Myelom

Ein Multiples Myelom beginnt meist schleichend und wird oft als Zufallsbefund erkannt. Häufigste Symptome des Multiplen Myeloms sind

  • „rheumatische“ Beschwerden,
  • Knochenschmerzen oder auch
  • Knochenbrüche als Folge der knochenauflösenden Herde (Osteolysen).

Außerdem können

  • Blutarmut,
  • Blutungsneigung,
  • Müdigkeit,
  • Neigung zu Infektionen durch den Befall des Knochenmarks und
  • die Verdrängung des blutbildenden Knochenmarks sowie
  • ein Mangel an gesunden Blutzellen (rote und weiße Blutkörperchen und Blutplättchen)

Anzeichen des Multiplen Myeloms sein.

Diagnostik beim Multiplen Myelom

Die sichere Diagnose „Multiples Myelom“ lässt sich aber nur durch eine Untersuchung einer Knochenmarkprobe aus dem Beckenkamm auf Myelomzellen, die Untersuchung von Blut und Urin auf Paraprotein und Röntgen des Skeletts zum Nachweis von knochenauflösenden Herden oder diffuser Knochenzerstörung stellen. Wenn zwei dieser Untersuchungen „positiv“ ausfallen, kann die Diagnose „Multiples Myelom“ sehr sicher gestellt werden. Wichtig ist auch die Messung des Kalziumspiegels im Blut, der durch die Knochenauflösung stark erhöht sein kann, und der Nierenfunktion, die durch die Eiweißausscheidung geschädigt sein kann.

Bone marrow biopsy.jpgKnochenmarkpunktion (Entnahme von Knochenmark); von Photographer’s Mate 2nd Class Chad McNeeley – Navy News Service, 021204-N-0696M-180, Gemeinfrei, Link

Behandlung des Multiplen Myeloms

Auch beim Multiplen Myelom richtet sich die Behandlung nach dem Krankheitsstadium, welches anhand der Blutwerte, in erster Linie für rote Blutkörperchen und Kalzium, des in den Röntgenaufnahmen erkennbaren Knochenbefalls und der Paraproteinkonzentration im Blut und im Urin bestimmt wird. In ganz frühem MM-Stadium ohne Symptome ist zunächst keine Behandlung erforderlich. Man führt dann regelmäßige Untersuchungen durch und wartet den weiteren Verlauf ab. Bei dem seltenen „solitären Plasmozytom“ mit nur einem einzelnen Knochenherd ist eine Heilung durch alleinige Bestrahlung (Strahlentherapie) möglich. In allen anderen Fällen muss dann, wenn die Erkrankung fortschreitet oder bereits bei Diagnosestellung fortgeschritten ist, eine medikamentöse Behandlung einsetzen.

Heute gilt die Hochdosischemotherapie mit nachfolgender Übertragung von Stammzellen der Blutbildung (Stammzelltransplantation) als die wirksamste Therapie des Multiplen Myeloms. Meist ist dabei der Patient sein eigener Stammzellenspender: Die Zellen werden vor der intensiven Behandlung entnommen und danach als Infusion in eine Vene zurückgegeben (autologe Transplantation). Noch wirksamer, aber mit hohen Risiken verbunden ist die Hochdosischemotherapie mit Übertragung von Blutstammzellen von einem gewebeverträglichen Spender (allogene Transplantation). Sie bietet wahrscheinlich die einzige Chance auf dauerhafte Heilung, kommt aber nur für jüngere MM-Patienten unter 60 Jahren insbesondere mit einem passenden Spender in Frage. Der besondere Effekt der allogenen Stammzelltransplantation beruht darauf, dass die mitübertragenen Immunzellen des Spenders restliche Myelomzellen, die Ausgangspunkt für einen Krankheitsrückfall sein können, bekämpfen.

Wenn diese Behandlungsformen nicht möglich sind, weil der Allgemeinzustand des Patienten es nicht erlaubt bzw. kein Spender gefunden wird, erfolgt eine Chemotherapie mit normaler Dosierung der Medikamente, in der Regel in Kombination mit den neuen Medikamenten Thalidomid, Bortezomib oder Lenalidomid. Diese führt bei über der Hälfte der Multiplen Myelom-Patienten zu einer teilweise langanhaltenden Rückbildung, in der klinische Beschwerden fehlen. Eine anschließende Erhaltungstherapie kann diese Phase der Stabilisierung und die krankheitsarme Überlebenszeit zudem verlängern. Eine dauerhafte Heilung gelingt dadurch allerdings nicht.

Chemotherapie
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Unterstützende Behandlungsmaßnahmen beim Multiplen Myelom

Von besonderer Bedeutung sind beim Multiplen Myelom während des gesamten Krankheitsverlaufs unterstützende Behandlungsmaßnahmen, die Symptome lindern und Komplikationen vorbeugen. Dazu zählt die Bestrahlung oder chirurgische Stabilisierung schmerzhafter oder bruchgefährdeter Knochenherde ebenso wie eine wirksame medikamentöse Schmerzbehandlung und die medikamentöse Absenkung eines erhöhten Kalziumspiegels im Blut. Durch Gabe von bestimmten Medikamenten (Bisphosphonate) lässt sich die krankhafte Knochenauflösung verlangsamen. Besteht durch Verminderung gesunder Plasmazellen ein Antikörpermangel, kann die Infektionsneigung erhöht sein. Hier können funktionsfähige Antikörper (Immunglobuline) verabreicht werden.

Nachuntersuchungen nach der Behandlung des Multiplen Myeloms

Um den Behandlungserfolg zu überwachen und ggf. einen Rückfall zu erkennen, werden die Patienten regelmäßig nachuntersucht. Alle 6 bis 8 Wochen erfolgen dabei Blutuntersuchungen, sowie in längeren Intervallen Röntgenuntersuchungen des Skeletts.

Was kann man tun, wenn die Erkrankung fortschreitet oder ein Rückfall des Multiplen Myeloms auftritt?

Führt die erste Chemotherapie nicht zum Erfolg oder kommt es kurz danach schon zum Rückfall des Multiplen Myeloms, wird eine Kombination anderer Medikamente eingesetzt. Bei Fortschreiten der Erkrankung nach zunächst erfolgreicher Behandlung kann bei längerem Abstand zur ersten Therapie nochmals dieselbe Chemotherapie zum Einsatz kommen. Bei über der Hälfte der MM-Patienten bildet sich dadurch die Erkrankung nochmals zurück, allerdings meist nur für kürzere Zeit.

Wenn die MM-Behandlung dann wieder versagt, sollten möglichst in Studien neue Medikamente, die die Erkrankung zurückdrängen können, evaluiert werden. Die Linderung von Symptomen steht zusätzlich im Vordergrund.

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Heilungschancen beim Multiplen Myelom

Eine dauerhafte Heilung ist nach dem derzeitigen Kenntnisstand nur durch Hochdosischemotherapie und nachfolgende erfolgreiche allogene Stammzelltransplantation möglich. Ansonsten ist die Prognose, der voraussichtliche Verlauf, abhängig von

  • der Tumorzellmenge bei Diagnosestellung (ein Messwert dafür ist der LDH-Spiegel im Blut),
  • der Geschwindigkeit des Fortschreitens der Erkrankung und
  • dem Alter und Allgemeinzustand des Patienten.

Auch bestimmte Veränderungen des Erbmaterials in den bösartigen Plasmazellen sind verbunden mit einem ungünstigeren Verlauf der Erkrankung. Überlebenszeiten von bis zu 10 Jahren sind möglich. Am längsten überleben Patienten, die auf eine Hochdosistherapie mit vollständiger Krankheitsrückbildung angesprochen haben.

Autor:
Prof. Dr. Hartmut Goldschmidt